Raumordnung & Mobilität

Mehr Platz für Schattenparker

Begrünte Supermarktparkplätze, weniger Bodenversiegelung und der richtige Platz für Solaranlagen : Das neue Raumordnungsgesetz gibt Gemeinden viel Handlungsspielraum. Damit sie vorausschauende Entscheidungen treffen können, schafft ein Universitätsprojekt gerade eine Datenbasis für alle 573 niederösterreichischen Gemeinden.

Das Foto zeigt ein Lama unter einer großen PV Anlage stehend und soll als Eyecatcher zeigen, dass Landwirtschaft und die Erzeugung von Solarenergie in der "Agri-Photovoltaik" nebeneinander Platz haben und sich sogar begünstigen können – so wie hier bei der Zotter Bio-Erlebnis-Landwirtschaft (Stmk.)

Ein mögliches Zukunfts­szenario : Landwirtschaft und die Erzeugung von Solarenergie haben in der „Agri-Photovoltaik“ nebeneinander Platz. Sie sollen einander sogar begünstigen, wie hier bei der Zotter Bio-Erlebnis- Landwirtschaft ( Stmk. ). Auf­grund der Teilbeschattung der Anbaufläche durch die Solarmodule verringert sich die Verdunstungsrate.

Quelle: Andreas Klambauer

Nur was man in Zahlen messen kann, zählt auch. Zu dieser Erkenntnis kam Gernot Wagner 2002, als er für seine Diplomarbeit versuchte, alle Bäume der USA zu erfassen ( um ihre Bedeutung in die Volkswirtschaft der Staaten einzubeziehen, aber das sei hier nur nebenbei erwähnt ). Gernot Wagner ist Niederösterreicher, aufgewachsen in Amstetten – und heute Klimaökonom an der New York University. In seinem aktuellen Buch „Stadt, Land, Klima“ argumentiert Wagner eindrücklich, wie viel energieeffizienter in der Stadt „gelebt wird“.

Am Land und in den Speckgürteln sind Energieeinsparungspotenziale schwieriger zu bergen. Das liegt an der agrarisch geprägten Geschichte der ländlichen Strukturen und der daraus folgenden geringeren Bebauungsdichte – zusätzlich in Verbindung mit dem Trend zur Nutzungsentflechtung.

Um auf diese Herausforderung zu reagieren, wurde im Oktober 2020 eine umfangreiche Novelle des NÖ Raumordnungsgesetzes beschlossen. Zu den wesentlichen Punkten zählen eine größere Verbindlichkeit für bodenpolitische Maßnahmen ( Widmungen ), eine stärkere Ausrichtung der Raumplanung am öffentlichen Verkehr, eine örtliche und überörtliche Entwicklungsplanung, also vorausschauendes Erschließen oder Verdichten von Bauflächen. Raumplanung wirkt naturgemäß über lange Zeiträume, Grundstücke werden auf Jahrzehnte gewidmet, gekauft, bewirtschaftet, bebaut. Damit bereitet Raumplanung heute den Boden, um die Klimaziele – keine CO2-Emissionen mehr bis 2050 – tatsächlich erreichen zu können.

Ab sofort ist ein Energie- und Klimakonzept verpflichtender Bestandteil aller örtlichen Raumordnungsprogramme. Damit soll künftig sichergestellt werden, dass Siedlungsentwicklung auf kommunaler Ebene nachhaltig passiert.

Um die 573 niederösterreichischen Gemeinden bei dieser Aufgabe zu unterstützen und ihnen wissenschaftlich fundierte Grundlagen anzubieten, fließen gerade riesige Mengen an Daten an die Universität für Bodenkultur. Bis Ende 2021 werden damit flächendeckend in ganz Niederösterreich entsprechende Standorträume identifiziert, analysiert und bewertet und den Gemeinden anschließend als Planungs- und Entscheidungsgrundlagen zur Verfügung gestellt. Diese Ergebnisse werden die Beantwortung von Fragen mit großer Bedeutung unterstützen : Wo sind die großen Energiepotenziale und Energieverbraucher in einer Gemeinde ? Wo wäre ein neues Heizwerk ideal, wo eine PV-Anlage ? Gerade in der Beantwortung dieser Fragen und der konsequenten Umsetzung in der Raumordnung liegt ein wichtiger Schlüssel, um vermeidbare Emissionen tatsächlich zu vermeiden.

Umso schneller ist nun zu reagieren, weil schon jetzt in einen kritischen Zeithorizont hineingeplant wird.

Zusätzlich wird auch ein Planungsleitfaden erstellt und Schulungen von Projektleiter Gernot Stöglehner und seinem Team dazu abgehalten. Die Kosten von 200.000 Euro teilen sich übrigens das Klimaschutzministerium und das Land Niederösterreich.

Wenn man sich in die Zeit der Entstehung des ersten NÖ-Raumordnungsgesetzes zurückversetzt, wird klar, warum die Grundlagenpläne zur Zeit der Urfassung 1976 so und nicht anders ausgestaltet wurden : Diese hatten nämlich die Aufgabe, den aktuellen Bestand – in einem Ort etwa die Geschäftsstraße, den Bereich rund um einen Tennis- oder Spielplatz, die Bebauung an den Ausläufern der Ortschaft – thematisch gegliedert erstmalig darzustellen. Tatsächlich „erstmalig“ : Die örtliche Raumordnung war damals vorrangig dazu da, dem Gemeinderat als Entscheidungsträger einen Überblick über das Gemeindegebiet zu verschaffen.

Die Planungsgrundlagen stellten einfach dar, was war. Vielleicht warf man noch einen Blick in die Vergangenheit. ( „wie es kam, dass es so ist“ ). In den wenigsten Fällen aber stellte die Raumordnung dar, was kommen könnte, welche künftigen Entwicklungen, welche künftigen Nutzungsansprüche im Gemeindegebiet erwartet wurden. Wie etwa wird sich ein Betriebsgelände wandeln ? Welche landwirtschaftlichen Betriebe werden wahrscheinlich auslaufen ? Dabei sind die Antworten auf solche Fragen unabdingbar für eine gut durchdachte Strategie zur Gemeindeentwicklung – im eigenen Interesse. Denn welche Chancen ergeben sich, wenn etwa ein Betrieb absiedelt und sein Gebäude zurücklässt, das dann ohne Nachnutzung langsam verwittert ? Diese Arbeitsweise genügt heute weder den gesellschaftlichen Ansprüchen noch den aktuellen Entwicklungseinflüssen.

Die bisherigen Planungsrichtlinien waren nun großteils auf dem Stand von 1995. Bis auf eine kleine Zahl besonders innovativer Gemeinden gab es damals noch kaum örtliche Entwicklungskonzepte. Und : Viele der aktuellen gesellschaftlichen Anforderungen – Stichworte Klimaschutz und Klimawandelanpassung – hatten längst nicht die Bedeutung von heute, standen also auch nicht derart im Fokus. Das neue Gesetz bringt deshalb einige Neuerungen mit sich, eine Handvoll sei hier vorgestellt.

Die Grafik zeigt den Energieverbrauch aufgeschlüsselt nach Nutzungstyp in Prozent des gesamten Energieverbrauchs in NÖ, 2020, gleitender Mittelwert. Eine Analyse des Energieverbrauchs aller Gemeinden in NÖ zeigt, dass größere Gemeinden durchschnittlich mehr Energie für Industrie und Gewerbe aufwenden. Kleineren Gemeinden verbrauchen im Gegensatz mehr in der Land- und Forstwirtschaft und zum Wohnen.

Energieverbrauch aufgeschlüsselt nach Nutzungstyp in ­Prozent des gesamten ­Energieverbrauchs in NÖ, 2020, gleitender Mittelwert / Eine Analyse des Energieverbrauchs in allen NÖ Gemeinden zeigt, dass in größeren ­Gemeinden durchschnittlich mehr Energie für Industrie und Gewerbe aufgewendet wird. Tendenziell fällt in kleineren Gemeinden mehr Energieverbrauch in der Land- und Forstwirschaft und zum Wohnen an.

Quelle: Energiemosaik

  1. In vielen Landesteilen wurde die Raumordnung bisher als eine Art Immobilienentwicklung verstanden und beschränkte sich auf die Frage, wo neues Bauland, ob für Wohnungen oder Betriebe, gewidmet werden kann. Der sorgsame und sparsamere Umgang mit Flächen war bisher nur in einer einzigen Richtlinie erfasst – nun ist es ein zentrales Ziel der Raumordnung. Damit verlangt das Gesetz nun eine breitere Schwerpunktsetzung. Einerseits kann es sich die Gesellschaft immer weniger leisten, Boden in jenem Ausmaß zu verbauen, wie das in der Vergangenheit passiert ist – andererseits gewinnen Aspekte wie Klimaschutz, Reduktion des Energieverbrauchs und der Artenschutz immer stärkere gesellschaftliche Bedeutung. In manchen Siedlungsteilen etwa ist zu beobachten, dass die Bauplatzfläche mit Nebengebäuden, Garagenzufahrten oder Terrassen und Swimmingpools versiegelt wird. Niederschlagswasser kann nicht mehr versickern, sondern muss an der Oberfläche abgeleitet werden. Um diese Entwicklung besser in den Griff zu bekommen, kann künftig jener Anteil des Bauplatzes festgelegt werden, der versickerungsfähig gestaltet werden muss. Einem ähnlichen Zweck dient die Möglichkeit für ein Gebot, das Niederschlagswasser in Zisternen zu sammeln.

  2. Der Parkplatz vor dem lokalen Diskonter, vielleicht auch noch ein zweiter und dritter daneben, an der Peripherie des Ortes : Solche „Asphaltwüsten“ heizen sich im Sommer stark auf. Verstärkt will man deshalb künftig auf eine „grüne Infrastruktur“ setzen, das ist die ausreichende Ausstattung von Siedlungen mit Bepflanzungen. Dabei spielen nicht nur Grünflächen wie Parks oder Spielplätze eine Rolle – sondern auch die Bepflanzung der Gebäude selbst, an den Fassaden oder am Dach. Im Bebauungsplan gibt es nun die Möglichkeit, das festzulegen. Insgesamt sollen Projekte der Innenentwicklung in Ortskernen Vorrang bekommen, in Hinblick auf Sozialverträglichkeit, Verkehrsverträglichkeit, Konfliktvermeidung und Klimawandelanpassung in geordnete Bahnen gelenkt werden. Und, ja, auch für private Parkplätze – wie eben die vor Super- und anderen Märkten – können Gemeinden solche Bepflanzungsvorschriften festlegen ; sie bekommen damit Gestaltungsspielraum. Eine gut durchdachte Bepflanzung wirkt dabei nicht allein der Hitze-Tendenz entgegen, sondern dient auch der Verbesserung des Ortsbilds. 

  3. Apropos PKW : Die bestehenden Planungsrichtlinien waren hauptsächlich auf die Erschließung mit dem Kraftfahrzeug ausgerichtet. Zumindest konnten sie in dieser Art und Weise gelesen werden. Diese grundsätzlich richtigen Planungsbestimmungen wurden nun in vielfältiger Hinsicht ergänzt : Im Rahmen der lokalen und regionalen Möglichkeiten sind optimale Voraussetzungen für den Umweltverbund anzustreben. Verkehr verbindet – nicht nur mit dem Auto, lautet das Motto. Dazu gehört auch, dass die Entwicklungsschwerpunkte der Gemeinden so gelegt werden, dass kurze Wege zu möglichst vielen Zielen führen können. Aber auch die „negativen“ Auswirkungen des Verkehrs – also Störungen für die angrenzenden Nutzungen und Überlastungserscheinungen im Netz – werden erstmals in den Richtlinien genannt.

  4. Selbstverständlich spielt die Raumordnung auch eine Rolle, wenn es darum geht, Flächen jenen Anlagen zu widmen, die erneuerbar Energie erzeugen. Die schwarz-glänzenden Solarmodule sind zwar nicht hübsch, aber irgendwo werden sie stehen müssen, wenn wir künftig verstärkt auf Photovoltaik ( PV ) setzen. Eine heiß diskutierte Frage ist deshalb : Welche Flächen wollen wir für die Anlagen zur Gewinnung der Sonnenenergie bereitstellen ? Schließlich will man jetzt bei PV nicht einfach drauflos bauen, sondern mit Bedacht. So geschieht es in der Marktgemeinde Ruprechtshofen. Als eine der ersten Gemeinden in Niederösterreich hat sich das Team um Bürgermeister Leopold Gruber-Doberer intensiv mit den räumlichen Voraussetzungen für die vernünftige Nutzung von Freiflächen-Photovoltaikanlagen befasst. Dafür vorgesehen sind dort nun insbesondere jene Flächen, die unter Hochspannungsleitungen liegen. Manche fürchten, dass zugunsten der PV dann auch landwirtschaftlich hochwertiger, fruchtbarer Boden umgewidmet wird. Die Sorge zerstreut der Fachplaner für Ruprechtshofen : Die Bodengüte werde jedenfalls berücksichtigt, wenn die Vorzugsflächen für PV bestimmt werden. Und dieser Grundsatz gilt niederösterreichweit. In Ruprechtshofen wurde deshalb nun zuerst erhoben, wie viele Dachflächen für PV-Anlagen zur Verfügung stehen. Im Hauptort etwa konnte man so die Errichtung von PV-Anlagen auf Feld oder Wiese überhaupt vermeiden.

Die Grafik zeigt die Entwicklung von versiegelter Fläche und Bevölkerung in Österreich seit 2001. Die Flächenversiegelung wuchs mit 25,7% im gesamten Beobachtungszeitraum deutlich schneller als die österreichische Bevölkerung.

Entwicklung von versiegelter Fläche und ­Bevölkerung in Österreich / Die Flächenversiegelung wuchs mit 25,7 % im gesamten Beobachtungszeitraum deutlich schneller als die österreichische Bevölkerung.

Quelle: Statistik Austria

Wo genau es innerhalb einer Gemeinde am sinnvollsten ist, eine PV-Anlage aufzustellen, wo Flächen besser landwirtschaftlich genutzt werden, wo ein asphaltierter Parkplatz lieber in eine Grünzone umgestaltet und welche Straße mit einem Radweg ausgestattet werden sollten – für all diese Fälle stellt die Energieraumplanung, derzeit an der BOKU im Gange, schon demnächst Daten zur Verfügung. Damit nicht  „einfach drauflos gebaut“ wird, sondern sich nachhaltige Entscheidungen treffen lassen : begründet auf Daten und Fakten, mit Umsicht und Weitblick.

Raumordnung und Mobilität

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Energie in Niederösterreich: Statusbericht 2023 (PDF, 650kB)

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NÖ Klima- und Energieprogramm 2030: Statusbericht 2023 (PDF, 2,4MB)

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SDG Indikatorenset auf Bundeslandebene NÖ (PDF)

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SDG Indikatorenset auf Bundeslandebene NÖ (CSV)

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