Abfallwirtschaft & Kreislaufwirtschaft

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Eine ­Apfeltarte mit Butz und Stängel

Bernadette Wörndl ist Rezeptautorin, Foodstylistin und Privatköchin, mit Spezialgebiet Nachhaltigkeit. 2014 erschien ihr Buch „Von der Schale bis zum Kern“, gerade eben ein „Waldkochbuch“. Uns verrät sie im Interview, welche Gerichte aus vermeintlichen Obst- und Gemüseresten entstehen können, anstatt sie einfach wegzuschmeißen.

Das Foto zeigt eine angeschnittene Apfeltarte.

Glasierte Apfelgalette

Quelle: @ Gunda Dittrich, Christian Brandstätter Verlag

Im Klappentext zu Ihrem „Waldkochbuch“ wird der Wald als „Speisekammer“ bezeichnet. Wie inspiriert er sie, gerade während der Coronakrise ?

Als Kind, das auf einem Bauernhof im salzburgischen Faistenau aufgewachsen ist, war es klar, den Wald als Spielwiese zu sehen. Mein Opa hat mich oft zum Holzmachen in den Wald mitgenommen und daraus einen aufregenden Ausflug samt Jause und Geschichtenerzählen gemacht. Meine Oma hat in der Zwischenzeit Parasole gesammelt, die sie später für das Mittagessen gebraten hat. All das hat mich geprägt. Im Wald hole ich mir Kraft und Inspiration, aber auch schöne Erinnerungen zurück. Im Wald verbringe ich auch die liebste Zeit mit meinen Kindern. An ihnen kann man ganz besonders gut beobachten, welch wunderbare Wirkung der Wald hat. Und zurück zur Frage : Im konkreten Fall des Buches ist der Verlag auf mich zugekommen und hat damit den richtigen Nerv getroffen. Der Wald hat den Weg also zu mir gefunden.

Inwiefern begleitet Sie der Kreislaufgedanke des Waldes – abgestorbene Pflanzenteile und Tiere bilden als Biomasse wieder den Humus für neues Leben – in Ihrer Arbeit ?

Der Gedanke begleitet mich von Kind auf. Denn wer auf einem Bauernhof aufwächst, bekommt den Gedanken der Nachhaltigkeit in die Wiege gelegt. Es war klar, dass die Frühstückssemmeln zu Knödeln oder Bröseln verarbeitet werden. Dass Bio-Abfälle an die Hühner verfüttert werden, die uns wiederum mit Eiern versorgen, oder zu Kompost werden. Den brauchten wir dann wieder für die Gemüsebeete. Dass Lebensmittel ganzheitlich betrachtet werden und nichts verschwendet werden darf. Aus dem Grund war mir mein Buch „Von der Schale bis zum Kern“ sehr wichtig.

Das Foto zeigt eine junge Frau auf einem Markstrand mit einer Holzkiste voller Marillen unter dem Arm.

Quelle: © Gunda Dittrich, Christian Brandstätter Verlag

„Mein Opa hat mich oft zum Holzmachen in den Wald mitgenommen. Heute verbringe ich dort die liebste Zeit mit meinen Kindern.“
Bernadette Wörndl / Köchin und Food-Stylistin

In welcher Hinsicht ?

Ein Internship in der „Chez Panisse“-Küche der Slow-Food-Vizepräsidentin Alice Waters im kalifornischen Berkeley ( wo schon seit Gründung 1971 nur mit Bio-Lebensmitteln gekocht wird, Anm. ) brachte mich auf den Weg zurück zu meinen Wurzeln. Dort, in den USA, habe ich nämlich wieder das angetroffen, wonach ich als Kind bei meiner Oma erzogen wurde – jedes Lebensmittel wertzuschätzen und alles zu verwenden. Gemüseabfälle wurden auch dort zum hauseigenen Kompost gefahren, um wieder zu nahrhafter Erde zu werden. Die Art, im „Chez Panisse“ zu kochen und zu arbeiten, prägt mich immer noch sehr. Und nährt mich nach wie vor. Inspiriert hat mich vor allem die legendäre Apfel-Tarte, bei der der ganze Apfel seine Notwendigkeit hat. Der Apfel wird geschält, vom Gehäuse getrennt und bildet – in Scheiben geschnitten – den Belag. Der Apfelbutzen und die Schalen ( darin ist Pektin enthalten, ein natürliches Geliermittel ; Anm. ) werden in Wasser oder Apfelsaft zu einer Glasur gekocht, mit der die Tarte später bepinselt wird. Dieses Rezept wird immer eines meiner Lieblinge bleiben. So schön durchdacht und so gut im Geschmack !

Was halten Sie im Sinne dieses Kreislauf­ge­dankes von den aktuell populären „Wurmkis­ten“ oder Bokashi-Eimern – sind die sinnvoll oder eine unnötige Modeerscheinung? 

Genial ! Solche Mini-Komposter geben Menschen in der Stadt die Möglichkeit, mit der Natur verbunden zu sein und einen Beitrag zu leisten. Und noch wichtiger : Kinder lernen von Beginn an den Kreislaufgedanken der Natur kennen, welchen Beitrag man auch als Einzelner leisten kann und dass aus Bio-Abfällen etwas Neues entstehen kann. Pure Magie sozusagen.

Die Grafik zeigt die Entwicklung der Abfallmengen in Niederösterreich, in tausend Tonnen zwischen 2000 und 2019. Ähnlich wie beim Energiebedarf ist auch die Gesamtabfallmenge im Gleichschritt mit dem Bruttoregionalprodukt und der Bevölkerung gewachsen. Vor allem der Anteil von Grünschnitt an der Gesamtabfallmenge hat in den letzten zwei Jahrzehnten zugenommen.

Entwicklung der Abfallmengen in Niederösterreich, in tausend Tonnen / Ähnlich wie beim Energiebedarf ist auch die Gesamtabfallmenge im Gleichschritt mit dem Bruttoregionalprodukt und der Bevölkerung gewachsen. Vor allem der Anteil von Grünschitt an der Gesamtabfallmenge hat in den letzten zwei Jahrzehnten zugenommen.

Quelle: Abfallwirtschaft Niederösterreich Daten 2019 - Abteilung RU3

Wie lässt sich der Kreislaufgedanke im eigenen Haushalt, beim Kochen und bei der Restlverwertung berücksichtigen ? Haben Sie Verwertungsbeispiele aus der Praxis, abseits der üblichen Tipps, harte oder strohige Orangen am besten auszupressen, aus braunen Bananen Bananenmilch zu pürieren und altes Gebäck zu Semmel- oder Brotwürfel zu schneiden ?

Genau all das ! Fürs Gemüse gilt : Brokkolistängel schmecken so süß und zart und sollten unbedingt mitbedacht werden. Genauso wie die Blätter. Im Ofen geröstet mit Olivenöl und Salz werden sie zu wunderbaren Chips, die auch Kinder lieben ! Das Gleiche gilt für den Karfiol. Meine Kinder lieben Karfiol aus dem Ofen – samt Strunk und Blättern. Zusammen mit Hummus und Fladenbrot ist das eines unserer Lieblingsgerichte. Das Gleiche gilt für die Blätter der Roten Rüben und von Kohlrabi. Radieschenblätter werden bei mir immer zu Pesto, aus dem ich später auch Dressings oder Toppings für Suppen mache. Mit in die Tage gekommenem Brot kann man noch so vieles machen : Knödelbrot, Semmelbrösel, Croutons, Scheiterhaufen, kalte Suppe, French Toast, mit Käse überbacken in Suppen usw.

Zitrusschalen werden bei mir kandiert. Apfelschalen zu Chips. Gemüseabschnitte zu Suppenfond.

Das Foto zeigt einen Porzellanteller mit gebratenen bunten Karotten darauf.

Sesam-Karotten vom Blech mit Pesto

Quelle: © Gunda Dittrich, Christian Brandstätter Verlag

Wie stehen Sie zum Lebensmittel Fleisch ? Zu welchem Umgang damit raten Sie ? 

Mein Gaumen springt bei Gemüsegerichten höher in die Luft als bei Fleischgerichten. Ich würde mich aber nicht als Vegetarierin sehen. Wenn ich Fleisch esse, dann nur welches direkt vom Bauern, den ich kenne, vertraue und von dem ich weiß, wie er seine Tiere hält. Ich habe das Glück, dass mein Cousin Hochlandrinder hält, selbst schlachtet und direkt verkauft. Wenn wir also Fleisch essen, dann nur das sei­ner Tiere.

In „Von der Schale bis zum Kern“ schreiben Sie : „Meine liebste Art zu kochen ist, aus wenigen, guten Zutaten etwas Einfaches, aber Besonderes zu zaubern. ( … ) Ein vollgestopfter Kühlschrank hemmt meine Kreativität.“ Können Sie diesen Zugang – Mangel als Treiber von Kreativität – etwas näher beschreiben ? Was sind ein, zwei Beispiele für solche „Zauberrezepte“ bzw. welche Zutaten haben Sie immer daheim, weil sie oft hilfreich sind ?

„Weniger ist mehr“ ist einfach ein Leitgedanke, mit dem ich gut kann. Risotto ist mein Verlegenheitsgericht schlechthin. Risottoreis habe ich immer zu Hause. Dann braucht es ein gutes Stück Parmesan, vielleicht eine Zitrone und eine Gemüsesuppe. Für die Suppe habe ich stets Gemüseabschnitte eingefroren und koche schnell eine neue. Wer keine Suppe hat, kann auch Wasser verwenden und versucht zum Beispiel mit sonnengetrockneten Tomaten oder getrockneten Steinpilzen mehr Geschmack in den Reis zu bringen. Manchmal Erbsen, dann wieder Spargel, frische oder getrocknete Pilze, Rote Rüben, Wurzelgemüse. Risotto ist so vielseitig und anpassungsfähig. Das mag ich.

Das Flussdiagramm zeigt die Stoffflüsse kommunale Abfallwirtschaft in Niederösterreich, 2019, in Tonnen. Es zeigt die ausgeglichene Dreiteilung der Abfälle in gemischte Siedlungsabfälle + Sperrmüll – gehen in die Verbrennung, in getrennt gesammelte Altstoffe – gehen in die Verwertung und biogene Abfälle + Grünschnitt – gehen in die Kompostierung. Die Problemstoffe sind mengenmäßig untergeordnet und werden gesondert behandelt. Auf Basis der Daten aus der Grafik „Stoffflüsse kommunale Abfallwirtschaft in Niederösterreich 2019“ ergibt sich für das Jahr 2019 eine Recyclingquote von 62%.

Stoffflüsse, kommunale Abfallwirtschaft in Niederösterreich, 2019, in Tonnen / Auf Basis der Daten aus der Grafik „Stoffflüsse kommunale Abfallwirtschaft in Niederösterreich 2019“ ergibt sich für das Jahr 2019 eine Recyclingquote von 62%. Gemischter Siedlungsabfall und Sperrmüll werden meistens verbrannt, während getrennt gesammelte Altstoffe wiederverwertet werden. Biogene ­Abfälle und Grünabfälle werden großteils kompostiert.

Quelle: Umweltbundesamt - Detail-Auswertungen aus EDM

Ich habe unlängst ein Interview mit der Künstlerin und Köchin Laila Gohar gelesen, vor allem über ihre Faszination für Bohnen – über Nacht eingeweicht und dann einfach mit Salz, Knoblauch und Olivenöl gekocht als Mittagessen. Haben Sie auch einmal ( aus welchen Gründen auch immer ) ein davor übersehenes Lebensmittel für sich entdeckt ?

Eier. Ich finde, sie werden total unter­schätzt. Sie dürfen bei mir im Kühlschrank auch nicht fehlen. Omelett, Eierspeisbrot, Spiegelei mit Spinat und Kartoffeln, pochiertes Ei mit Olivenöl auf Toast, Frittata – all das sind gute, einfache Gerichte, die noch dazu gut variiert werden können.

Traditionell unterschätzt sind die heimischen Wintergemüse. Wie bekommt man da etwas Variation in Kraut, Kohl und Rübe ?

Mit Kraut zum Beispiel kann man so viel machen. Es schmeckt mit Joghurt als frischer Krautsalat. Als Toppig für Tacos oder Burger. Fermentiert als frisches Sauerkraut. Krautfleckerl. Noch so ein Kandidat ist die Rote Rübe, die passt auch gut ins Risotto oder Curry. Als Füllung für Ravioli. Blätter wie Spinat oder Mangold gekocht, als Quiche oder Tarte. Am besten probieren und die Zubereitungsmöglichkeiten überdenken. Die Gemüse in Gerichte einbauen, wo man sie sonst nicht mitbedenkt. Einfach einmal die Perspektive ändern.

Rezept Glasierte Apfelgalette

Ihre Apfelgalette – belegt mit säuerlichen Äpfeln zum Beispiel der Sorten Elstar, Kronprinz Rudolf oder Boskoop – glasiert Bernadette Wörndl mit einem Apfelsirup aus Kerngehäuse und Schalen. Dazu diese Apfelreste mit 250 ml Saft und 200 g Zucker auf kleiner Flamme je nach Menge etwa 40 – 50 Minuten zu Sirup einkochen. Das Kerngehäuse enthält das meiste Pektin der Frucht und hilft auf natürliche Weise beim Eindicken des Saftes.

Rezept Sesam-Karotten vom Blech mit Pesto

Zutaten :
1 Bund Karotten mit Grün
Olivenöl
1 TL Honig
1⁄2 TL Salz
2 TL schwarzer Sesam.

Pesto :
Karottengrün
1 Bund Petersilie,
1 Bund Dill
150 g geröstete Pinienkerne oder geröstetes Weißbrot
1 Bio-Zitrone
2 TL Kapern
Salz 150–200 ml Olivenöl.

Karotten mit Olivenöl, ­Honig, Salz, Sesam ­marinieren und im Backofen bei 180 °C ca. 20 Minuten rösten. Für das Pesto ­Karottengrün, Petersilie und Dill gut waschen, trocken tupfen und mit den restlichen Zutaten im Standmixer fein pürieren.

Weitere Rezepte finden Sie im Ebook „Von der Schale bis zum Kern“ von ­Bernadette Wörndl,
Brandstätter Verlag.

Service

Mehr „Restlverwertung“ und Tipps zu Aufbewahrung und Haltbarkeit von Lebensmitteln finden Sie im Kunstkochbuch, herausgegeben gemeinsam von den NÖ Umweltverbänden und dem Land Niederösterreich. Gestaltet hat es der 2021 verstorbene Künstler Alexander Bisenz. Sie können es kostenlos bestellen ; online ist es hier abrufbar :

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Energie in Niederösterreich: Statusbericht 2023 (PDF, 650kB)

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NÖ Klima- und Energieprogramm 2030: Statusbericht 2023 (PDF, 2,4MB)

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